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2023 — Marianne Binder-Keller

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Votum zur Individualbesteuerung

Mein Votum zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung in der Frühjahrssession 2025.

Der Satz, der am häufigsten wiederholt wurde, ist der Satz, dass man sich nicht wiederholen soll. Ich widerspreche dieser Forderung gerade im zweiten Satz, indem ich nochmals auf das Jahr 1984 hinweise, in dem das Bundesgericht die steuerliche Diskriminierung von verheirateten Paaren gegenüber unverheirateten als verfassungswidrig erklärt hat. Kollege Wicki hat dieses Jahr gar in die weltweiten Entwicklungen eingeordnet. Ich stelle dieses Jahr ebenfalls in einen grösseren Zusammenhang: „1984“, Orwells dystopischer Roman, definiert – daneben gibt es viele weitere Auslegungen – auch den Stillstand. Ich wiederhole es noch einmal: Trotz des Entscheides des Bundesgerichtes hat das Parlament bei den Bundessteuern nicht gehandelt, will heissen: Der Fiskus kassiert seither Jahr für Jahr Milliarden von Franken auf dem Buckel der verheirateten Paare.

Die meisten Kantone – wir haben es gehört – haben gehandelt, mein Kanton beispielsweise mittels Vollsplitting, d. h., Verheiratete versteuern ihr Gesamteinkommen nur zum Steuersatz des halben Gesamteinkommens. Dieses System müsste man jetzt einfach noch auf die Bundessteuern übertragen, und voilà, das Problem wäre gelöst. Ich wiederhole mich nicht, wenn ich jetzt frage, weshalb um Himmels willen man das nicht tut.

Erlauben Sie mir nun, den Scheinwerfer aus gesellschaftspolitischer Sicht und aus Gleichstellungssicht auf diese Vorlage zu richten. Weshalb dieser unglaublich teure Umbau zu einer Individualbesteuerung? Da kommt der magische Satz, es würden Erwerbsanreize geschaffen. Das richtet sich einmal mehr an uns Frauen. Die Frauen sollen dazu erzogen werden, mit möglichst hohen Pensen erwerbstätig zu sein. Wenn wir ehrlich sind, ist es eine Erziehungsmassnahme, die sich, und das ist mein Problem, am sogenannten Einverdienermodell, einer ziemlich antiquierten Vorstellung aus den Fünfzigern, orientiert. Man hat ganz offensichtlich nicht mitbekommen, dass bei Ehepaaren längst beide Partner erwerbstätig sind. Solange sie keine Kinder haben, sind beide in möglichst hohen Pensen tätig; wenn sie Kinder haben, sind beide in unterschiedlich hohen Pensen tätig. Bei gegen 90 Prozent aller Ehepaare sind beide erwerbstätig. Man muss die Partner folglich nicht in die Erwerbstätigkeit hineinerziehen. Man kann beruhigt feststellen, dass sie erwerbstätig sind. Sie möchten jedoch dafür steuerlich nicht benachteiligt werden, indem sie in eine höhere Progression geraten.

Wenn man jetzt sagt, die ganze Übung, diese Individualbesteuerung, sei eine Revolution, dann sage ich, die Revolution hat längst stattgefunden, indem die Kantone ihre Steuersysteme an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst haben. Weshalb jetzt eine Besteuerung fordern, die alles wieder auf den Kopf stellt, also die Revolution mit der Revolution bekämpfen? Sie kennen das ja, diese frisst offenbar immer die eigenen Kinder. Deshalb gibt es, gesellschaftlich und auch aus Gleichstellungssicht gesehen, nichts Gerechteres als die gemeinsame Besteuerung mit einem Splitting. Es darf gerade angesichts der heutigen gesellschaftlichen Realitäten keine Rolle mehr spielen, wer im Laufe eines Erwerbslebens wann wie viel zum gemeinsamen Einkommen beiträgt. Das gehört zu einem liberalen Lebensplan. Heute teilen sich Paare Familienarbeit und Erwerbsarbeit auf. Beide Partner übernehmen zunehmend Verantwortung. Das müssen wir doch fördern. Die Individualbesteuerung hingegen zielt auf möglichst hohe Erwerbstätigkeit und marginalisiert die Familienarbeit.

Diese Vorlage entspricht nicht den heutigen Konzepten der Familien. Wie gesagt, sie teilen sich in unterschiedlichen Pensen Erwerbsarbeit und in unterschiedlichen Pensen Familienarbeit. Die Familienarbeit stellt einen tragenden Wert dar, und sie wird, nebenbei bemerkt, immer mehr zu einem Kriterium bei Anstellungsgesprächen, und zwar für Männer wie Frauen. Wenn wir also den erwähnten Ansprüchen gerecht werden möchten, nämlich der freien Lebensgestaltung, der gemeinsamen Verantwortung für die wertvolle Familienarbeit und die wertvolle Erwerbsarbeit sowie der gemeinsamen Verantwortung dafür, dass in einer Partnerschaft beide in die Erwerbsarbeit eingebunden sind, dann kann dieses Konzept der Individualbesteuerung den gesellschaftlichen Realitäten nicht genügen.
Ich bitte Sie, nicht auf diese Vorlage einzutreten.

 

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