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2023 — Marianne Binder-Keller

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Badener Steine und Abschaffung der Heiratsstrafe. Grusswort anlässlich der Herbsttagung der Mittefrauen Schweiz. 

Ich freue mich sehr, dass Sie Baden als Tagungsort gewählt haben und damit meine Heimatstadt beehren. Es ist die Stadt der Badener Chräbeli und der Badener Steine, welche wiederum eine Badener Hommage bilden an das Schloss Stein, das uns zweimal geschliffen wurde, zuerst von den Eidgenossen 1415 und, kaum wieder aufgebaut, 1712 nach dem Zweiten Villmergerkrieg und der Niederlage der Katholiken von den Zürchern. Mit den Steinen der Burg wurde den Badnern aufgelegt, die reformierte Kirche zu errichten. Man kann die Burg also nicht wieder zurückbauen, zumindest nicht mit den alten Steinen. Was an restlichem Baumaterial übrig ist, verkaufen wir, und zwar in vorliegender Form. Eben in Badener Steinen aus Schokolade. 

Sie sind in der Stadt der Thermalbäder, die Römer waren schon hier und vergnügten sich nach den Manövern im Heerlager Vindonissa, eines der 12 grössten Heerlager des Altertums und ein Hotspot der Migration.  Angesichts der Tatsache, dass das römische Reich sich schliesslich um das ganze Mittelmeer angesiedelt hatte und folglich die Legionäre aus all diesen Gebieten anmarschierten, übertrafen sie als Einwanderer, zumindest im Verhältnis zur damaligen sesshaften Bevölkerung in diesem Gebiet, die heutige.  Später vergnügten sich auch die Zürcher in den Badener Thermalquellen. Wir gönnten es ihnen, sie hatten es definitiv lustiger als in ihrer strengen Zwinglistadt. Auch wenn wir natürlich auch nach wie vor etwas misstrauisch gegen die Zürcher sind, sind, was kein Wunder ist, bei ihrer starken Neigung, uns die Immobilien zu zertrümmern. 

Sie sind in der Stadt der Spanisch Brötli und damit der Stadt der Badenfahrten, also der Fahrt der ersten Eisenbahn von Zürich nach Baden. Die Eisenbahn wurde bevorzugt dazu genutzt von vermögenden Badener Familien. Sie schicken , sonntags frühmorgens die Dienerschaft nach Zürich, um dort die Spanischbrötli einzukaufen. Also: es ist die Stadt der Badenfahrt und folglich nicht Badenerfahrt. Dies einfach als Information, wenn Sie das nächste Mal an unser legendäres Fest kommen und aus Versehen Badenerfahrt sagen. dann werden sie nämlich korrigiert. Die Badenfahrt findet grundsätzlich nur alle zehn Jahre statt. Es ist das beste Fest der Welt gemäss unserer Einschätzung in Baden. Es gibt Leute, die das so nicht unterschreiben würden, aber denen können wir halt auch nicht helfen…Aber im Ernst: Die Badenfahrt widerspiegelt den Badener Geist: Kreativität, Lebenslust, Grosszügigkeit. Und Flexibilität. Auch wenn die Badenfahrt eigentlich nur alle zehn Jahre stattfindet, finden wir immer einen Grund, den Rhythmus zu verkleinern, wir nennen das dann kleine Badenfahrt. In der Dimension ist diese manchmal sogar noch grösser als die grosse. Auch hier eine Sache der Interpretation. Sie sind aber auch in der Stadt der Innovation, der Industrie, der Forschung. Sie befinden sich hier in der verbotenen Stadt, der ehemaligen BBC, mit all den vielen neuen Unternehmen auf dem Gelände. Und Sie befinden sich in der Stadt, welche den EWR überwältigend angenommen hat. Dies vielleicht auch deshalb, weil Wirtschaft und Bevölkerung wenig gegenseitige Berührungsängste haben. Ich weiss noch, wie die ABB-Direktoren, beispielsweise Edwin Somm, auf irgendwelchen Kisten in der Stadt standen und für den Beitritt warben als befänden sie sich im Hydepark-Corner. Die Wirtschaft, das sind wir alle, das war die Message unserer kleinen Stadt und grossen Industriestadt. 

Baden ist aber auch die Stadt, und darauf bin ich besonders stolz einer Bürgerin, welche die jüngere Geschichte der Schweiz in besonderem Masse geprägt hat. Annemarie Höchli-Zen Ruffinen. Geboren am 8. März, man merke sich das Datum 1923 in Baden, und leider gestorben am 1. September 2018, ebenda.  Annemarie Höchli war eine Frauenrechtlerin der ersten Stunde. Von 1958 bis 1968 war sie Präsidentin des Frauenbunds Baden, 1967 gründete sie die Sektion Aargau des Staatsbürgerlichen Verbandes katholischer Frauen und leitete diesen Verein bis 1970. Dort engagierte sie sich vor allem für das Frauenstimmrecht und sass auch in zahlreichen eidgenössichen Kommissionen. Von 1970 bis 1982 war Höchli Zentralpräsidentin des Schweizerischen katholischen Frauenbundes. Sie wissen das. Der katholische Frauenbund war massgeblich beteiligt am Abstimmungserfolg 1971. Von 1982 bis 1986 war Annermarie Höchli als erste Frau Mitglied der Aargauer Kirchenpflege. Sie setzte sich in der katholischen Kirche insbesondere für die Frauenordination ein. Leider erlebte sie sie nicht mehr. Ich wohl auch nicht. 

Von 1972 bis 1983 war sie Einwohnerrätin in Baden und dort 1981/1982 die erste Einwohnerratspräsidentin. Hätte sie jemals für das Eidgenössische Parlament kandidiert, wäre sie bestimmt Bundesrätin geworden.  

Des Weiteren managte sie eine Familie mit fünf Kindern. Das Wort «managen» trifft die Sache auf den Punkt und ich komme noch kurz zu zwei Themen, die mir am Herzen liegen und die eigentlich den Kern auch unserer Werte bilden sollten und vielleicht auch einen Input geben sollen zur späteren Gleichstellungs-Diskussion an dieser Tagung . 

Familienarbeit bildet einen hoch herausfordernden Job, ist ein eigentlicher Managementjob. Sprechen wir von Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit, dann geht es sicherlich darum, bezahlbarere ausserhäusliche Betreuung zu garantieren, da gab es ja auch Erfolge im Parlament, gerade in dieser Session, aber zur Vereinbarkeit gehört die Aufwertung der Familienarbeit selbst als Kriterium beispielsweise für den Wiedereinstieg. Die Skills, die man in der Familienarbeit erwirbt, ich nenne einmal einige: organisatorische Fähigkeiten, hauswirtschafliche, erzieherische, pflegerische, das breite Wissen, das man sich in vielen Bereichen aneignet, die Balastbarkeit, die man gerade bei einem späteren Führungsjob als Eignungsgrund anführen sollte, erfordern dringlich mehr Beachtung und positive Bewertung. Und es ist wichtig, dass wir diese Arbeit nicht selbst unterbewerten. 

Ich mag deshalb das Wort Care Arbeit nicht besonders, weil es im Grunde nur einen Teil aller zu verrichtenden Arbeiten beschreibt. Nur einen Teil der ganzen Palette von Herausforderungen, die man bewältigt und nur einen Teil aller Fähigkeiten, welche man erwirbt.  Volkswirtschaftlich gesehen und auch gesellschaftlich ist die Arbeit unbezahlbar und unersetzlich. Die im Haushalt geleistete Arbeiten betragen 6.5 Milliarden Arbeitsstunden im Jahr. Geleistet von Frauen, aber ich betone das, auch von Männern. Heute teilen sich mehr als 85% aller Paare Familien-und Erwerbsarbeit. Und diese Arbeit findet eben nicht nur fünf Tage in der Woche statt, sondern 7 Tage und sieben Nächte in der Woche. Wer kranke Kinder hat, weiss, wovon ich spreche. 

Es ist unbezahlte Arbeit, aber sobald sie bezahlt werden müsste, bekommt man eine Ahnung, was sie kosten würden. Das merkte ein Bekannter von mir, als er vor vielen Jahren eine Haushälterin suchte, weil seine Frau schwer erkrankte und dann traurigerweise verstarb. Es wurde klar, was alles fehlt, wenn diese grundlegende Arbeit fehlt. Der Begriff der Hauswirtschafterin oder Haushälterin ist heute am Verschwinden. Ebenso das Fach Hauswirtschaft in der Schule, das textile Werken, das Werken. Und alle Kenntnisse darüber, was das Familienmangement eben ausmacht.  Wie also wollen wir den Wert der Arbeit einfordern, wenn wir sie selbst als Defizit betrachten? Ich plädiere also für die Chance, welche Familienarbeit bildet und zwar für beide Partner. 

Und daraus folgt, um einen letzten Bogen zu ziehen eben die gemeinsame Besteuerung der Ehepaare und die Abschaffung der Heiratsstrafe. Das Parlament hat zwar die Individualbesteuerung in die Wege geleitet, aber wenn wir Familienarbeit und Erwerbsarbeit besser koordinieren wollen, kann das einfach keine Lösung sein. Die Individualbesteuerung will im speziellen Frauen in möglichst hohen Pensen Erwerbsarbeit leisten lassen. Die Initiantinnen betonen, es brächte mehr Anreize erwerbstätig zu sein. Dazu ist zu sagen: 

Erstens haben die Initiantinnen ganz offenbar nicht mitbekommen, dass wir Frauen längst erwerbstätig sind. Wir stecken nicht mehr im Einverdienermodelll der Fünfziger fest.  Niemand braucht uns zu sagen, wir sollten uns einen Job suchen. Wir haben einen. Und wir geben ihn auch nicht auf, weil wir steuerlich dafür bestraft werden. Wir ärgern uns einfach darüber und dies seit schon sehr lange. Zumindest seit dem Bundesgerichtsurtei von 1984, welches die steuerliche Bevorzugung von Konkubinatspaaren gegenüber verheirateten als verfassungswidrig erklärt hat.

Zweitens erlaube ich mir selbstverständlich nicht, ein Familienmodell zu kritisieren, welches durch die Individualbesteuerung gefördert wird, nämlich Eltern, die in möglichst hohen Pensen, möglichst viel verdienen. Das steht mir nicht zu. Aber bitte sehr. Man soll auch allen anderen das Familienmodell nicht vorschreiben. Wer in die Familienarbeit und die Erwerbsarbeit beide Partner einbinden will, soll das bitte sehr tun können ohne dass man dafür bestraft. 

Drittens, wir wissen das alle, kann man Familienarbeit kaum entlöhnen, wie das auch schon von links gefordert wird. Aber sicher kann man die Besteuerung so gestalten, dass beide Arbeiten gleichwertig sind. Dies durch die gemeinsame Besteuerug, wie es die Kantone längst tun. Die beiden Einkommen zusammengezählt, dann durch zwei geteilt und so besteuert. 

Die heutige Realität ist so, dass im Laufe eines Arbeitslebens, zu 100 Prozent beide Partner in die Familienarbeit und in die Erwerbsarbeit eingebunden sind. Während der Kinderphase immerhin 88 Prozent. Es sollte doch keine Rolle spielen, wer, wann, wieviel und in welchen Pensen beiträgt zum gemeinsamen Einkommen und zur Familienarbeit. Wie gesagt: alles geteilt durch zwei. 

Beide Arbeiten müssen steuerlich honoriert werden. Das ist auf die moderne Gesellschaft ausgerichtet bürokratisch gesehen, sowieso vernünftig und auch ein Bekenntnis dazu, dass Familienarbeit ebenso Teil einer Arbeitsbiografie sein sollte, wie die Erwerbsarbeit und nicht nur, gemäss den Konzepten der Individualbesteuerung nur auf die Erwerbsarbeit setzt und die Familienarbeit entwertet. Sie, liebe Kolleginnen, sprechen heute über Feminismus. Dies sind meine Gedanken zur Gleichstellung. 

Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Tagung, ihren Themen und uns wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer wertvollen Arbeit für die Gleichstellung und die Sichtbarkeit der Frauen.

Ich danke Ihnen.

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