Marianne Binder-Keller
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2023 — Marianne Binder-Keller

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Nach acht Jahren gebe ich das Präsidium Die Mitte Aargau ab

Interview: Eva Berger
Als Sie 2016 CVP-Aargau-Präsidentin wurden, waren Sie Grossrätin. 2019 schafften Sie es in den Nationalrat, 2023 in die kleine Kammer. Haben Sie bei Ihrem Antritt 2016 damit gerechnet, das Präsidium einst als Ständerätin weiterzugeben?
Marianne Binder:
Man sollte nie zu stark selber mit einem politischen Mandat rechnen. Ich hoffte aber immer, dass die Partei zulegen kann, dafür habe ich mich eingesetzt. Wir haben gemeinsam auf diese Ziele hingearbeitet und wurden belohnt. Als wir bei den Nationalratswahlen 2019 einen Sitz dazu gewonnen haben, war das für mich ein riesiger Glücksmoment.

Wäre Ihre Karriere ohne das Parteipräsidium anders verlaufen?
In unserer Partei kann man sicher auch viel erreichen, ohne sie geleitet zu haben. Das zeigte unter anderen Ruth Humbel.

Geben Sie die Partei jetzt in gute Hände?
Ja, und ich würde es noch nicht tun, wäre dies nicht garantiert. Edith Saner und Karin Koch Wick sind ein Glücksfall, ein Power-Duo mit viel Erfahrung in der kantonalen Politik. Da das Präsidium enorm viel Arbeit bedeutet, halte ich eine Co-Leitung zudem für effizienter als eine Einzelbesetzung. Es ist ein Wechsel für noch mehr Schub in der Mitte.

Ihre Nachfolge müsse aus dem Grossen Rat kommen, heisst es. Warum sind Sie Parteipräsidentin geblieben, als Sie 2019 in den Nationalrat gewählt wurden?
Bei meiner Wahl in den Nationalrat hatte ich das Präsidialamt erst seit drei Jahren inne und wir wollten den Schub aus den Wahlen erhalten. Dazu stand der Namenswechsel an. Diese Parteireform habe ich als Mitglied des nationalen Präsidiums stark mitgeprägt. Es war mir wichtig, die neue Strategie als Präsidentin selber im Aargau umzusetzen, das vermittelte Konstanz.

Die Aargauer Kantonalpartei war im Januar 2021 die erste, die mit der BDP fusionierte. Hat die Mitte heute jene Identität, die sie sich wünschte?
Ja. Einen Aderlass gab es nicht. Die Partei wird noch immer von denselben Leuten getragen – aber es sind auch viele Neue und Junge dazugekommen. Die Mitte ist nicht einfach CVP mit etwas BDP, sondern eine neue Kraft. Ich spüre diese Aufbruchstimmung.

Der Name wurde zu Beginn etwas belächelt …
Der Name drückt aus, was wir staatspolitisch sind: eine lösungsorientierte Partei im politischen Zentrum, die die Konkordanz abbildet. Ich werde seit dem Namenswechsel kaum mehr gefragt, wofür wir eigentlich stehen. Der Name wurde zum Programm. Es ist eine Identität, die Hoffnung macht. Eben hat die Mitte im Thurgau drei Sitze dazugewonnen, das ist auch im Aargau unser Plan.

Das C für «christlich» im Namen abzulegen, hielten einige für riskant. Hat es geschadet?
Nein, im Gegenteil. Das «C» im Namen machte uns halt für viele zu einer Art Kirchenpartei. Das schreckte teilweise ab. Jetzt nimmt man uns vermehrt so wahr, wie wir das gerne hätten: als Partei, die für den Zusammenhalt sorgt.

Mit Maya Bally ist seit letztem Herbst eine Aargauer Mitte-Vertreterin im Nationalrat, die aus der BDP gekommen ist. Ist das ein Zeichen für eine gelungene Fusion?
Ja, das ist es. Wir sind eine Partei geworden. Die Integration ist eine Selbstverständlichkeit, sie ist heute gar kein Thema mehr. Und es kommen neue, junge Kräfte.

An «jung» denkt man bei der Mitte nicht unbedingt, das Durchschnittsalter scheint
höher als in anderen Parteien …
… Wir haben mit Nando Suter in Reitnau immerhin den jüngsten Gemeinderat des Kantons. Der grosse Rat ist auch stark verjüngt. Die Jungen auf die Wahllisten zu bringen, das war eine der Ideen hinter den vielen Unterlisten: Neue zum Mitmachen zu animieren und dann Ämter übernehmen zu lassen. Dieses Vorgehen hat auch einen Schub bei Frauen-Kandidaturen bei uns ausgelöst.

Die Listenflut, die Sie 2019 mit der CVP losgetreten haben, steht in der Kritik. Morgen berät der Grosse Rat über eine parlamentarische Initiative gegen Unterlisten. Würden Sie sich gegen ein Verbot wehren?
Ich nehme die Kritik ernst, aber die Unterlisten sind ein Instrument, bei den Leuten die Freude an der Politik zu wecken. Immer beklagt man die Politikverdrossenheit und wenn die Leute dann politisieren, ist es auch wieder nicht recht. Für unsere Partei waren diese Mitmachlisten eine Erfolgsgeschichte.

Die Mitte Aargau tritt zu den Regierungsratswahlen mit dem Bisherigen Markus Dieth an. Warum greift sie den fünften Sitz nicht an?
Wir sehen uns mit Markus Dieth bestens vertreten.

Wer müsste aus Ihrer Sicht den frei werdenden Sitz von Alex Hürzeler besetzen?
Bei Majorzwahlen gibt es kein Abonnement für einen Sitz, auch für die grösste Partei nicht. Es sind Persönlichkeitswahlen.

Braucht es eine Frau in der Regierung?
Das würde ich mir sehr wünschen, ja. Frau sein allein ist zwar kein politisches Programm. Aber jetzt ist es so: Von den sieben Aargauer Majorz-Mandaten gehört nur eines einer Frau: unser Ständeratssitz. Ganz offensichtlich ist dies keine ausgewogene Geschlechtervertretung. Doch es zeichnen sich jetzt ja Frauenkandidaturen ab.

Sie sind seit knapp 140 Tagen im Ständerat. War der Schritt von der grossen in die kleine Kammer schwierig?
Schwierig nicht, aber die Arbeitslast hat sich schon sehr erhöht und die Debattenkultur ist völlig anders. Wer den Lärmpegel des Nationalratssaals kennt und in die Stille des Ständerates wechselt, erlebt beinahe einen kleinen Kulturschock. Man hört einander zu und wenn man wollte, könnte man zu jedem Geschäft das Wort ergreifen. Auch die parteipolitische Bindung ist anders. Mir gefällt es ausserordentlich gut im Ständerat, es ist ein sensationelles Privileg, dort den Aargau zu vertreten. Der Kanton und seine Haltung haben einen grossen Einfluss, das gehört zum Amt.

Wie ist Ihr Verhältnis zum anderen Aargauer Vertreter im Stöckli, zu Thierry Burkart?
Gut, wir tauschen uns aus. Ich habe selbstverständlich seinem Postulat betreffend Sicherheit der Kernkraftwerke zugestimmt – das ist auch im Interesse des Aargaus. Wir arbeiten zusammen, das heisst aber nicht, dass wir immer gleichgeschaltet sind. Ich habe schliesslich eine ausgewogene Standesvertretung versprochen und es gibt einige knappe, aber wichtige Entscheidungen, die genau diese Ausgewogenheit abbilden und mit der sogenannten «ungeteilten Standesstimme» anders herausgekommen wären. Ich wechsle auch nicht meine Meinung zu einzelnen Geschäften gegenüber dem Nationalrat, weil ich jetzt im Ständerat bin. Dem Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative stimmte ich zu.

Letzte Woche hat der Nationalrat das Verbot von Nazisymbolik überwiesen. Das Anliegen stammt ursprünglich von Ihnen. Können Sie hinter dem jetzigen Beschluss stehen?
Der Nationalrat hat klare Kante gezeigt gegen den Antisemitismus. Ich bin erleichtert. Mit meiner Motion wollte ich die Nazisymbolik im öffentlichen Raum verbieten. Das hat der Nationalrat jetzt im ersten Schritt getan. In Zeiten galoppierender Geschichtsvergessenheit braucht es die starke Ansage gegen Nazifahne, Hitlergruss und Hakenkreuze. Die sieht man ja nicht einfach an Veranstaltungen von Neonazis, sondern auch an hamasfreundlichen Demos. Im Sommer entscheidet der Ständerat darüber.

Inwiefern hat sich diese Diskussion seit der Eskalierung des Nahostkonflikts im Oktober verändert?
Am Anfang war die Diskussion auf das furchtbare Massaker der Hamas fokussiert, eines der schlimmsten Pogrome seit dem Zweiten Weltkrieg. Und immer noch sind über 130 Geiseln da. Ich konnte mit Angehörigen sprechen – diese Berichte sind nicht auszuhalten. Sobald Israel sich aber wehrte, schlug das Pendel in der öffentlichen Meinung um und Israel wurde zum Täter. Einfach an alle gerichtet, die meinen, Israel sei ein homogenes Gebilde und keine Demokratie mit Meinungsvielfalt: Netanyahu steht sehr in der Kritik für eine Politik, die der Entspannung nicht förderlich ist. Mit ganzem Herzen hoffe ich selber immer noch auf zwei Staaten, die nebeneinander existieren können. Mit der Terrorgruppe Hamas ist das aber eine Illusion. Sie will Israel vernichten.

Der Antisemitismus hat auch im Aargau zugenommen. Was muss geschehen, ausser einem Verbot der Symbole?
Mit dem Verbot der Symbole allein geht der Antisemitismus nicht aus den Köpfen, aber sie schärfen das Bewusstsein. Die Schulen sind gefordert, aber auch die Erziehenden zu Hause. Des Weiteren fordere ich schon lange, die Gebetshäuser auf eine Übernahme durch Radikale zu durchkämmen. Das ginge weder gegen die Grundrechte noch gegen die Musliminnen und Muslime. Im Gegenteil. Es geht um den Schutz aller Menschen im Rechtsstaat. Wären irgendwelche durchgeknallte christliche Sekten unterwegs, wären wir auch sehr interessiert daran, dass unsere Kinder nicht radikalisiert werden und der Rechtsstaat uns schützt. Wir pflegen viel zu viel Toleranz gegen Intoleranz und hebeln so den Rechtsstaat aus.

Neu ist der Nahostkonflikt nicht, warum ist die Debatte jetzt so hitzig?
Weil der Konflikt einen neuen Höhepunkt erreicht hat und das Leid der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten niemanden kaltlässt. Aber allen Juden dafür die Schuld zu geben, ist ja nicht neu. Antisemitismus ist wie Gülle unter morschen Balken. Tritt man etwas fest darauf, quillt sie sofort durch die Löcher. Gleichzeitig gilt Geschichte heute vermehrt als eine Frage der Meinung, nicht der Fakten. Das ist gefährlich. Der Geschichtsunterricht muss gestärkt werden. Vielleicht würde es sich lohnen, beim Zweiten Weltkrieg zu beginnen, nicht bei den Pfahlbauern. Die Geschichtslosigkeit haut mich um. Und ich stelle sie auch im Zusammenhang mit der Ukraine fest.

Der Krieg in der Ukraine tobt inzwischen seit über zwei Jahren. Verhält sich die Schweiz richtig?
Nein, sie zögert – und tut sie das zu lange, steht sie plötzlich allein da. Dieser Krieg in Europa betrifft auch die Sicherheit der Schweiz im Nerv. Es braucht entschlossenes Handeln gegen Putins Terror in der Ukraine. Jetzt. Wir können mit der Hilfe nicht bis nach dem Krieg warten. Die Infrastruktur wird täglich zerstört und muss repariert werden. Wasserfassungen, Energiequellen. Diese Hilfe widerspricht der Neutralität nicht und wir könnten diesbezüglich sehr viel mehr tun. Ich verstehe hier die Kritik gewisser Kreise an den USA schlicht nicht. Ausgerechnet in Europa. Denn: Gewinnt der Diktator Putin, verliert das freie Europa. Wir müssen in die Ukraine investieren und in die Armee. Und vor allem enger mit der Nato zusammenarbeiten. Es ist das einzige Rezept gegen die Eskalation.

Zurück zu Ihnen. Warum waren Sie gerne Parteipräsidentin?
In so einer Position interessiert es die Leute plötzlich, was man zu sagen hat. Das ist doch ich ein ziemlicher Vorteil (lacht).

Was war Ihr schönster Moment in diesen Jahren?
Als mich meine Partei zur Präsidentin wählte als erste Frau in diesem Amt. Gut in Erinnerung ist mir der Wahlauftakt 2019 geblieben, als wir mit orangen Ballonen durch Baden marschiert sind. Und dann natürlich, als wir bei den Wahlen zulegen konnten und den zweiten Sitz holten. Bei den Grossratswahlen nochmals. Die Eroberung des Ständeratsmandates war schlicht überwältigend. Es war eine tolle Zeit, die Partei wurde ein bisschen auch zur Familie.

Was waren weniger schöne Sachen als Parteipräsidentin?
Es gab auch weniger gute Momente in meiner Amtszeit. Sie sind öffentlich. Ich wärme sie jetzt nicht auf. Und man steht natürlich generell als Politikerin im Fokus, teilweise durch sehr unsachliche, unappetitliche, auch anonyme Post. Aber das stecke ich wie alle meine Kolleginnen und Kollegen einigermassen locker weg.

Nach acht Jahren gebe ich das Präsidium Die Mitte Aargau ab. Ich danke der Politikchefin der Aargauer Zeitung Eva Berger für das Gespräch.

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