Rede anlässlich der Vernissage am 21. April 2023 zur Ausstellung «Mobilität in der Zukunft» in Zurzach.
Ich muss gestehen, ich bin von zu Hause aus keine Verkehrspolitikerin. Aber dann lief ich vor Jahren einmal Pierre Bocion über den Weg. Verantwortlich dafür ist Beat Edelmann und seine mächtige und engagierte Zurzibietconnection. Und das hat mich aufgerüttelt.
Pierre Bocion hat eine Vision. Er will die Eisenbahn von Winterthur nach Basel für den Personenverkehr wieder ermöglichen. Eine bestehende Infrastruktur besser nutzen, die Gebiete entlang des Rheins, das Zurzibiet, das Fricktal, besser erschliessen und den Hauptbahnhof Zürich durch diese alternative Route nach Basel entlasten, erschien mir einleuchtend und so bin ich denn im Vorstand der Pro Wiba, der Pro Winterthur-Baselbahn. Das politische Anliegen sehen Sie heute von Pierre Bocion auch künstlerisch umgesetzt. Ich habe die Ehre, seine Striche mit Filz-und Bleistift zu unterstreichen. Mit Worten.
Pierre Bocion, wie Sie sehen, ist begeistert von der Eisenbahn. Woher der Name Eisenbahn? Ich zitiere Ihnen gerne aus dem Klexikon, dem Kinderlexikon. Ein Nachschlagewerk, das Sie übrigens unbedingt konsultieren müssen im Austausch mit Ihren Kindern, Grosskindern und Urgrosskindern, die einen ständig nach Dingen fragen, deren Beantwortung man dann aus seinem grossen Fundus von Halbwissen zusammenbastelt. Der Blick ins Klexikon hilft, die Worte so zu finden, dass man den Sachverhalt selber auch versteht. Das ist gerade auch in der Politik von Nöten…
Also, Eisenbahn, ich zitiere: «Der Name Eisenbahn kommt von den Schienen, auf denen sie fährt und die vor allem aus Eisen bestehen. Mit Bahn meint man den Weg, der gebahnt wurde. Oft denkt man beim Wort Eisenbahn an das Fahrzeug selbst, also einen Zug. Der heisst so, weil seine Waggons von einer Lokomotive oder einem Triebwagen gezogen werden.»
Das Kinderlexikon liefert also bereits einen Fahrplan auf Piere Bocions Werk, so, als würden Sie auf der SBB-App eine Verbindung suchen. Da geht es vom Weg zu den Schienen zur Bahn, die getrieben und gezogen wird. Von einer Idee und einer Vision! Ich öffne wieder die SBB-App und tippe Winterthur-Basel ein. Es erscheinen die Abfahrtszeiten und die Stationen. Winterthur-Bülach-Zurzach-Laufenburg-Stein-Säckingen-Rheinfelden-Basel. Oder umgekehrt. Sie sehen, wohin Pierre Bocion in seinem vier Meter langen Werk uns führen will. Den bestehenden Schienen dem Rhein entlang. Von den grossen Zentren durchs Land. Grosstadt-Land-Kleinstadt-Grosstadt-retour. Ich komme darauf zurück.
Wie gesagt, ich bin nicht im speziellen Verkehrspolitikerin, der ÖV, finde ich, soll einfach funktionieren… Aber jemand wie Pierre Bocion steckt einen einfach an mit seiner Begeisterung und lässt einen sogar darüber nachdenken, ob man vielleicht doch mehr davon im Blut hat. Und siehe da! Da waren doch tatsächlich meine Urgrossmutter und mein Urgrossvater im Untersiggenthaler Rost, die bei der Bahn arbeiteten und die Strecke zwischen Turgi, im Rost, wo sie ihr Haus hatten, Station Siggenthal und weiter nach Döttingen bewirtschafteten und verantworteten. Es ging beispielsweise darum, die Schienen zu prüfen und diese von Unkraut und sonstigem Gewucher zu befreien, welche die Natur der Technik entgegensetzt, um die Bahn entgleisen zu lassen. Und diese Schienen, weiter nach Koblenz, führten denn auch wieder zu denjenigen Schienen, die nach Winterthur und Basel führten und die jetzt neu belebt werden sollen für den Personenverkehr zwischen Basel und Winterthur. Diese Schienen, für welche Pierre Bocion so leidenschaftlich eintritt.
Zum Werk also, zum dem ich Pierre Bocion im Anschluss an meine kleine Einführung befrage, schliesslich weiss der Künstler selbst am besten, was er damit will. Sie sehen zwei unterschiedliche Techniken, mit denen Bocion zwei Verkehrssysteme einander gegenübergestellt. Die Motorfahrzeuge auf der Autobahn mit Filzstift, die Bahn mit Bleistift. Die Gegenüberstellung sollen die Verkehrssysteme in ihrem Einfluss auf die Umwelt verdeutlichen und es ist unschwer zu erkennen, bei welchem der Systeme Pierre sein Herz verloren hat. Es ist ein visualisiertes Statement für die Bahn, die Platz und Raum lässt und gegen den motorisierten Verkehr, der den Raum über die Massen einnimmt. Denn wenn dieser für sich in Anspruch nimmt, die Regionen demokratisch zu erschliessen und ein Gleichgewicht zu den Zentren zu schaffen, meint Pierre Bocion, dass dies seine Bahn um einiges effizienter, freundlicher, charmanter, emmissionsärmer und respektvoller erreicht. Und selbstverständlich nachhaltiger und machtvoller.
Schon die Römer wussten um die Macht ihrer Verkehrswege. Gebiete erschliesst man durch Strassen und die Effizienz, mit der Menschen und Güter von A nach B kommen. Das Heerlager Vindonissa war ein Verkehrskotenpunkt des Altertums und einer der grössten Migrationshotspots jener Zeit mittels Flüsse und Strassen. Aber natürlich nicht, wenn sie verstopft sind und die Lebensgrundlagen zerstören. Die Römer haben sich, wie man ja weiss, durch andere Faktoren selbst versenkt, aber letztendlich auch, weil sie nicht nachhaltig dachten.
Hätte man ihnen diese Skizzen unkommentiert gezeigt, hätten Sie sich vielleicht gewundert, wie Legionäre heutzutage unterwegs sind und wie sie aussehen. Hätten Sie sich gefragt, wie kampftüchtig und verlässlich solche Wesen auf Rädern sind und ob man ihnen trauen kann. Und ob sie nicht genau, jene Werte, welche man sich erschaffen will und jene Gebiete, welche man sich eröffnen möchte, nicht selbst zerstören. Es stehen sich zwei Systeme gegenüber, welche einerseits den Raum respektvoll eröffnen und welche ihn anderseits respektlos vereinnahmen.
Die Bahn Winterthur Basel ist eine Chancenbahn. Die Wiba, bildet einen neuen Weg auf alten Strassen, sie bildet angesichts der Zukunftsängste um knappen Wohnraum eine nachhaltige politische Antwort und deshalb ist die Darstellung von Pierre Bocion, die Sie hier sehen, die künstlerische und eindrückliche Umsetzung eines nachhaltigen Verkehrsanliegens. Und wenn die Beamten in den kantonalen und nationalen Verkehrsdepartementen und Ämtern sich die Notwendigkeit der Fragen der WiBa nach Aufwand und Ertrag sparen wollen, dann sollen sie sich diese Arbeit anschauen. Dann merken Sie, diese Bahnstrecke macht aus umweltpolitischer, raum-verkehrs-und sicherheitsplanerischer Sicht Sinn. Dann sollen sie in Basel und Zürich einmal merken, dass der ÖV in der Schweiz nicht nur den grossen Zentren dient, sondern auch dem Land dazwischen und dass der Aargau nicht nur aus Aarau besteht, sondern auch aus dem Zurzibiet, dem Fricktal, dem Freiamt und den Regionen Baden und Brugg.
Künstlerisch ist die Wiederbelebung der Bahn zwischen Winterthur und Basel umgesetzt, auch die Machbarkeitsstudie ist erstellt. Mir bleibt auf Bundesebene der Weg einer Motion, welche ich überparteilich einreichen will. Affaire à suivre.
Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement, dem Vorstand der Pro Wiba, allen voran Beat Edelmann und Pierre Bocion und Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher der Ausstellung danken wir für die Unterstützung unseres gemeinsamen Anliegens.