Putins Krieg hat zumindest eines erreicht: Europa ist zusammengewachsen. Im erstarkten Bewusstsein seiner Grundwerte: Freiheit. Solidarität. Rechtstaatlichkeit. Demokratie. Die grosse Solidarität mit den Flüchtenden aus der Ukraine ist nur ein Ausdruck davon.
Während meiner Kindheit und Jugend trennte Europa eine Mauer, dahinter das Gefängnis einer kommunistischen Diktatur. Wer floh, wurde an der Mauer erschossen. Im Gleichgewicht des Schreckens, türmten der Westen und der Osten Atomwaffen auf, welche die Welt mehrfach hätten vernichten können. Der kalte Krieg war allgegenwärtig. In seinem Roman «Das letzte Ufer» schildert Nevil Shute die Apokalypse und die letzten Tage der letzten Menschen in einer Bucht in Neuseeland nach dem Ausbruch des Dritten Weltkrieges.
1989 der Mauerfall. Die Satellitenstaaten der Sowjets, welche sich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in ihrem Griff befanden, erlangten ihre Selbstbestimmtheit. Eine neue Welt entstand. Die Waffenarsenale wurden abgebaut und wer einen terrestrischen Angriff nur für annähernd möglich hielt, hatte definitiv zu viele Kriegsfilme konsumiert. Die GSoA forderte die Abschaffung der Armee und die Verteidigungsetats der westlichen Staaten wurden dermassen tief dotiert, dass sie ihren Verfassungsaufträgen, eine Landesverteidigung aufrecht zu erhalten, die ihren Namen auch verdient, kaum mehr nachkamen.
Das eben trotzdem Mögliche ist eingetroffen. Der russische Bär hat die Höhle verlassen. Es herrscht wieder Krieg in Europa. Nach der Annexion der Halbinsel Krim hat Putin nun die ganze Ukraine angegriffen. In einer beispiellosen Verletzung des Völkerrechtes attackiert er Schulen, Spitäler, Wohnhäuser, die Zivilbevölkerung. Die Zerstörung der Infrastruktur, auch der Kulturgüter ist unermesslich, das Leiden der Menschen unerträglich. Bereits befinden sich Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht. Eine überwältigende Solidarität den Flüchtlingen gegenüber ist die beeindruckende Kehrseite.
Der Angriff auf die Ukraine ist ein Angriff auf Europa. Und damit ein Angriff auch auf die Schweiz als Teil des freien Europas. Seine Verteidigung geschieht mit gemeinsamen Sanktionen, bei denen gerade die Schweiz als wichtiger Finanzhandelsplatz eine Rolle spielt, geschieht mit Massnahmen, uns von russischen Gasimporten zu lösen und auch mit unserem Beitrag an die europäische Sicherheitsarchitektur durch eine starke Verteidigungsarmee. Von den umliegenden Ländern zu erwarten, man würde die kleine Schweiz im Ernstfall schon beschützen, ist keine Option.
Die Schweiz bekennt sich zur bewaffneten Neutralität. Diese besagt: wir greifen niemanden an, verteidigen uns jedoch bei einem Angriff. Ein Friedenskonzept. Würde es weltweit angewendet, gäbe es keine Kriege mehr. Neutralität heisst jedoch nicht, gegenüber Recht und Unrecht neutral zu sein. Denn damit stellt man sich auf die Seite des Aggressors. Putins Krieg hat eines erreicht: Europa ist zusammengewachsen. Im erstarkten Bewusstsein seiner Grundwerte: Freiheit. Solidarität. Rechtstaatlichkeit. Demokratie.
Es sind hart errungene Werte. Alles andere als selbstverständliche. Niemals dürfen wir sie aufgeben.