Seit wann ist Unrecht irrelevant, wenn nur eine Minderheit von Menschen davon betroffen ist?
- Die Verhüllung der Frau widerspricht den Grundrechten im modernen Rechtsstaat. Freiheit und Gleichheit. Sie bedeutet Unterdrückung und Sexualisierung. Und sie geschieht schon bei kleinen Mädchen.
- Anders als bei der Minarettinitiative geht es nicht um Symbolbekämpfung.
- Unser Rechtsstaat garantiert allen Frauen die gleichen Rechte. Es geht nicht an, im selben Staat Parallelrechte zu tolerieren. Motto: Für die einen Frauen «darfs gerne etwas mehr sein» als für die anderen.
- Die Freiheit des Individuums steht über der Religionsfreiheit. Mit dem Argument der Religionsfreiheit dürfen keine Grundrechte verletzt werden. Die Verhüllung, welche Zwang und Unterordnung manifestiert, tut dies. Im Gegensatz zu anderen Kleidungsstücken oder Symbolen, die die Zugehörigkeit zu einer Religion darstellen. (Im Übrigen fallen auch jegliche modischen Kleidungsstücke nicht unter ein solches Verbot.)
- Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält in einem Urteil vom 1. Juli 2014 fest, dass das Verhüllungsverbot weder die Freiheit des Glaubens, der Gedanken oder des Gewissens (Art. 9 EMRK) noch das Recht auf ein Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) tangiert.
- Verschiedene Länder kennen Verhüllungsverbote. Frankreich, Österreich, Dänemark, Lettland und Bulgarien ein komplettes. Norwegen, Deutschland, einige Balkanstaaten und die Türkei in gewissen öffentlichen Orten. Spanien und Italien teils lokale und regionale. Selbst in einigen islamischen Ländern gelten solche Verbote.
- Auch für Touristinnen gelten unsere Rechte. Deren Verletzung mit möglichen ausbleibenden Einnahmen zu rechtfertigen, erachte ich als schwierig zu erklären.
- Die Relevanz eines Problems, vorliegend Diskriminierung und Sexualisierung, misst sich nicht an der Anzahl derjenigen, die damit zu kämpfen haben. Seit wann ist Unrecht irrelevant, wenn nur eine Minderheit von Menschen davon betroffen ist?
- Die Verhüllung im modernen Rechtsstaat als liberal und Ausdruck des freien Willens zu befürworten, erscheint in seltsamem Licht, wenn man bedenkt, dass in gewissen totalitären Staaten drakonische Strafen drohen, wenn Frauen den Mut haben, den Schleier abzulegen.
- Gemäss Befürchtungen der Gegner dürften betroffene Frauen bei Annahme des Verhüllungsverbotes das Haus nicht mehr verlassen. Wie also wird der Zwang geahndet, der im Gegenvorschlag unter Strafe steht?
- Das Verhüllungsverbot löst nicht alle Probleme, denen Frauen in patriarchalen Strukturen ausgesetzt sind. Aber die Verhüllung weist als Spitze des Eisberges darauf hin. Das muss sensibilisieren. Die Integration ist wichtig.
- Die momentane Maskenpflicht bietet meines Erachtens gerade praktische Anschauung, wie es sich anfühlt, das Gesicht in der Öffentlichkeit bedecken zu müssen. Man stelle sich vor, man müsste das immer tun.