Das Bundesgericht hat 1984 festgehalten, dass die finanzielle Diskriminierung verheirateter und somit auch eingetragener Paare gegenüber Konkubinatspaaren, die sogenannte Heiratsstrafe, verfassungswidrig ist. Bis jetzt hat das Parlament aber jede Lösung im Ansatz erstickt und sich in Systemdiskussionen erschöpft. Der neueste Streich geschah in der Wintersession 2019. Wie eine Mehrheit des Ständerates sprach sich auch der Nationalrat gegen einen Kompromissvorschlag des Bundesrates aus. Dieser sah vor, dass Ehepaare auf Bundesebene entweder getrennt oder gemeinsam besteuert werden, je nachdem, was für sie günstiger ist. Mit der Wahlmöglichkeit lehnte sich die Regierung an die Praxis der Bundesrepublik an, bei welcher ein Paar zwischen Individualbesteuerung und gemeinsamer Besteuerung entscheiden kann (93 Prozent wählen da übrigens die gemeinsame Besteuerung anstelle der administrativ unglaublich aufwändigen Individualbesteuerung). Item: Mit der Ablehnung der Vorlage verpasste das Parlament einmal mehr eine wichtige Chance, sich für mehr Steuergerechtigkeit stark zu machen und dem Willen der meisten Stände und rund der Hälfte der Stimmbevölkerung nachzukommen.
Die CVP gibt jedoch nicht auf. Wir erinnern uns. Am 28. Februar 2016 stimmten 15 Stände und drei Halbkantone der CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe zu. Das Anliegen scheiterte jedoch äusserst knapp am Volksmehr. Die Begründung lag wohl an der Umschreibung der Ehe im Verfassungstext. Die CVP Aargau initiierte deshalb kurz darauf eine Standesinitiative mit identischem Text, der ohne den Ehebegriff auskommt. Die Standesinitiative wurde im Ständerat abgelehnt, doch dann fällte das Bundesgericht am 10. April 2019 einen historischen Entscheid. Aufgrund mehrerer Beschwerden, auch aus dem Kanton Aargau, erklärte es zum ersten Mal eine Volksabstimmung für ungültig. Die Bundesrichter teilten die Meinung der CVP-Exponenten, dass der Bundesrat auf krasse Weise mit falschen Zahlen unsere Volksabstimmung zur Abschaffung der Heiratsstrafe beeinflusst hat. Sie wäre zu Gunsten der Initianten ausgefallen. Ein Argument der Gegner lag darin, dass nur etwa 80 000 Paare betroffen sind. Richtigerweise sind es 450 000 Paare! Da in der Initiative auch Gleichbehandlung für Rentnerpaare gefordert wird, warten seither weiterhin etwa 1,4 Millionen Menschen auf die Beseitigung der Heiratsstrafe. Eine dermassen unglaubliche Täuschung des Stimmvolkes ist skandalös. Es erschüttert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Grundfesten.
Der Nationalrat hat denn der Standesinitiative aus dem Aargau im letzten Jahr konsequenterweise Folge gegeben. Jetzt liegt es wieder am Ständerat. Er hat es in der Hand, einer schnellen Lösung endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Wer jetzt im Ständerat wieder Nein stimmt, ergibt sich in Problembewirtschaftung. Und auf die Erklärung, weshalb man nach diesem klaren Entscheid des Bundesgerichtes nicht bereit ist, diese verfassungswidrige Pendenz aus dem Jahre 1984 endlich aus der Welt zu schaffen, kann man gespannt sein. Im Speziellen achte ich dann auf unsere Aargauer Ständeräte.
Auf die CVP wird man sich auf jeden Fall weiterhin verlassen können. Die Abschaffung der Heiratsstrafe bleibt auf der Traktandenliste bis die Pendenz erledigt ist. Wie schon angekündigt von der CVP Schweiz mit einer weiteren Volksinitiative, die den Text der Aargauischen Standesinitiative übernimmt.